Vereinschronik

( Ursprünglicher Text von Hans Hohlen, überarbeitet und aktualisiert von Gottfried Hillerns)

Anfänge und Vereinsgründung

Über 150 Jahre Turnen und Sport im TSV „Jahn“ sind eng mit der Entwicklung des Ortes Carolinensiel verbunden. So wie sich das Bild des Ortes gewandelt hat, ist aus der Idee des Turnens ein Verein gewachsen, der heute über 600 Mitgliedern ein vielfältiges, sportliches Angebot bietet.

Die Anfänge des Vereins lagen zunächst im Dunkeln, Dokumente oder Aufzeichnungen über eine Vereinsgründung waren nicht vorhanden. So basierte das 125jährige Jubiläum auf der Annahme, dass 1863 ein Turnverein in Carolinensiel gegründet wurde. Es war nicht bekannt, wann in unserem Sielhafenort die Turnideen des Turnvaters Jahn die ersten Anhänger fanden. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass sich schon in den Jahren um 1860 junge Männer aus vorwiegend bäuerlichen Kreisen mit der neuen Sache „Turnen“ vertraut machten, erste Versuche wagten und schließlich Spaß daran fanden.

Das Ganze entwickelte sich weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit unter vorerst primitiven Verhältnissen, denn die damalige königliche Obrigkeit sah in allem, was nicht staatlich gelenkt war, eine Gefährdung der inneren Sicherheit.
Erst 1862 wagte die junger Cliner Turnergarde den Schritt nach vorne: In einer Versammlung am 15. Februar 1862 wurde die Gründung eines Turnvereins beschlossen, dem man den Namen „Turner-Verein Carolinensiel“ gab.

In der Gründungsversammlung traten 23 Mitglieder dem neuen Verein bei. Dabei wurde ein Vorstand gewählt, der sich wie folgt zusammensetzte: Sprecher (Vorsitzender): Kaufmann und Grundbesitzer H. Fleßner, 65 Jahre alt, Turnwart: Pächter F. J. Fulfs, 22 Jahre alt, Säckelmeister und Schriftführer: Privatschullehrer Joh. Focken, 29 Jahre alt. Die Vereinsstatuten wurden bei den königlichen Ämtern in Wittmund und Aurich eingereicht und in der Folgezeit wurde der Vorstand eingehend auf seine politische Loyalität und Königstreue überprüft. Dazu gibt es einen regen Schriftwechsel, der im Staatsarchiv in Aurich aufbewahrt wird und schon allein wegen der damals üblichen Formulierungen ein Stück Zeitgeschichte darstellt. So wurden unter anderem Zweifel am längeren Zusammenhalt des jungen Vereins geäußert der sich nachweislich ja nicht bestätigt hat…

In Ermangelung vereinseigener Aufzeichnungen weiß man nur wenig über die Entwicklung des Turn- und Sportbetriebes, über die Mitgliedsstärke und den Ort der Übungsstätten in den ersten Jahrzehnten. Einige Hinweise finden sich jedoch in Anzeigen und Berichten im „Anzeiger für Harlingerland“. So wird in einem Zeitungsartikel von August 1863 erwähnt, dass beim Schauturnen in Esens auch Turner der Vereine Carolinensiel und Wittmund beteiligt waren. Auch im „Anzeiger“ veröffentlichte Einladungen zu Vereinsfesten und Veranstaltungen belegen, dass der Cliner Turner-Verein sich zu einem aktiven Faktor im dörflichen Leben gestaltete.

In späteren Jahren taucht der Name „Männerturnverein Carolinensiel“ auf, der aus dem 1862 gegründeten Turner-Verein hervorgegangen ist. Die Tatsache, dass im Jahr 1893 eine große Vereinsfahne angeschafft und geweiht wurde, spricht eindeutig für ein aktives und intaktes Vereinsleben. Die Traditionsfahne existiert noch und war in den Vor- und Nachkriegsjahren viele Male Begleiterin der Aktiven bei Turn- und Sportfesten und bei anderen Veranstaltungen. Zahlreiche Ehrenwimpel, Fahnennägel und dergleichen schmücken das ehrwürdige alte Stück.

Turnhallen waren hier zu damaliger Zeit ein Fremdwort. Man war schon froh, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben, um das Turnen auch bei schlechter Witterung betreiben zu können. Aus Überlieferugen sind die Übungsstätten Brabbers Scheune (alte Pastorei), bei Pannbacker in der „Erholung“, eine Halle mit Kegelbahn im Börsengarten und schließlich der Saal des Hotels „Zur Traube“ bekannt. Vor und nach jedem Übungsabend galt es für die eifrigen Turner, beträchtliche Fußmärsche durch die Kleiwege aus den entfernten Groden zu unternehmen, da selbst Fahrräder kaum bekannt waren. Es gehörte schon eine gehörige Portion Idealismus dazu, ein echter Turner unter den damaligen Verhältnissen zu sein. Bemerkenswert ist aber auch, dass die Geselligkeit stets großgeschrieben wurde. Ausgiebig feierte man alle möglichen Anlässe. Ein extra gewählter Singwart hatte eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.

1908 – zwei Turnvereine…

Um die Jahrhundertwende griff das „Jahn-Fieber“ auch auf eine Gruppe junger Handwerker über, welche dem Handwerkerverein angehörten und die neben ihrer körperlichen Arbeit Ausgleich beim Turnen suchten. Nach etlichen „Probejahren“ gründeten sie dann 1908 den Turnverein „Jahn“. Bedingt durch die seit Generationen gewachsene Struktur (hier Bauern – dort Bürger) gab es in Carolinensiel fortan zwei Turnvereine, die über Jahrzehnte um ein friedliches Neben- und Miteinander bemüht waren. Gegenseitige Einladungen zu Veranstaltungen und gute Zusammenarbeit bei Wettkämpfen und Sportfesten hatten positive Auswirkungen auf die Entwicklung des Turn- und Sportgedankens in unserer Gemeinde.

Erster Vorsitzender des neuen Turnvereins „Jahn“ war der Viehhändler Moritz Levy (1908 – 09), sein Nachfolger wurde Johannes Peters (ab 1909). Im 1. Weltkrieg kam die Vereinstätigkeit fast ganz zum Erliegen. Ab 1918 leitete Eduard Janssen die Geschicke des Vereins. Sein Nachfolger wurde Bernhard Buß, der bis zu seinem Tod 1943 erster Vorsitzender war.

Der Turnverein „Jahn“ erfreute sich im Laufe der Jahre regen Zuspruchs und hatte bald gute Turner und Sportler in seinen Reihen, die manche Siege und vordere Platzierungen bei auswärtigen Veranstaltungen errangen. Als Übungsstätte stand anfangs nur der Garten von Wilhelm Janssen zur Verfügung. Später folgte der Saal im Hotel „Zur Traube“, bis man dann Anfang der dreißiger Jahre zum „Deutschen Haus“ wechselte.

Die Jubiläumsfeier anlässlich des 25jährigen Bestehens des Turnvereins „Jahn“ im Jahr 1933 war vorerst letzter Höhepunkt in der Vereinsgeschichte, denn 1934 folgte im Zuge der „NS-Gleichschaltung“ die zwangsweise Zusammenlegung beider Turnvereine unter dem Namen „Turnverein Jahn Carolinensiel“. Leider gingen durch die Kriegswirren alle Aufzeichnungen und Akten verloren, so dass aus dem Vereinsleben während der Zeit bis 1945 nur wenig bekannt ist. Nach dem Krieg waren aus den Reihen der Turner viele Tote zu beklagen und es dauerte einige Zeit, bis man sich auf die Ideale des Sports neu besann.

1947 – der Neubeginn…

Anfang 1947 waren es einige Unentwegte, die sich zusammen mit Heimatvertriebenen zu Ballspielen und zum Turnen trafen. Am 10. März 1947 war es dann soweit, im Hotel „Zum Deutschen Haus“ fanden sich 29 Interessenten zusammen und gründeten den „Turn- und Sportverein Carolinensiel“ (1950 wurde der Verein durch Versammlungsbeschluss auf den heutigen Namen „Turn- und Sportverein „Jahn“ Carolinensiel“ umbenannt). Einstimmig wählte man Emil Janssen zum 1. Vorsitzenden, Udo Hinrichs zum 2. Vorsitzenden und Wilhelm Schmidt zum Sportwart. Im September 1947 wurde die erste ordentliche Generalversammlung abgehalten, an der bereits 74 Mitglieder teilnahmen.

Nach einer neunmonatigen „Prozedur“ mit Anträgen, Satzungsangelegenheiten und politischer Durchleuchtung der Vorstandsmitglieder wurde am 22. November 1947 die endgültige Genehmigung der Britischen Militärregierung erteilt.
Der Sportbetrieb kam nur schwer in Gang, es fehlte an allen Ecken und Enden. Der Sportplatz war nicht viel mehr als ein Acker, das Holz für Tore musste zusammengebettelt werden, es gab keine Bälle, keine Sportgeräte, einzig ein paar Turngeräte hatten überdauert. Mit viel Improvisation und einer gehörigen Portion Idealismus gelang es, einen funktionierenden Übungsbetrieb auf die Beine zu stellen. Neben dem Turnen standen auch Fußball, Handball und Leichtathletik auf dem Programm. Stetig steigende Mitgliederzahlen machten den Sportlern Mut.

Die Währungsreform und die damit verbundene langsame wirtschaftliche Stabilisierung drückten auch dem Turn- und Sportbetrieb einen positiven Stempel auf. Im Rahmen des Möglichen wurde von Jahr zu Jahr das sportliche Angebot erweitert. Geturnt wurde in Scheunen und im Saal des „Deutschen Hauses“. Vor allem in den Kinderturnabteilungen erfuhr der Verein einen enormen Zulauf, bei denen die Bereitstellung geeigneter Übungsleiter das größere Problem war.

Der Aufschwung

Einen „Boom“ erlebte der TSV „Jahn“ nach dem Ausbau des Sportplatzes und nach der 1960 erfolgten Fertigstellung der Sporthalle. Neue Sparten und Gruppen fanden nun Möglichkeiten zur Ausübung ihres Sports.

  • Turnen
    Aus dem anfänglich reinen Geräteturnen haben sich in den letzten Jahrzehnten viele Gruppen mit speziellen Inhalten im Bereich Breitensport gebildet. Schon Anfang der fünfziger Jahre bildete sich eine Hausfrauengymnastikgruppe, die sich sofort großer Beliebtheit erfreute und später fanden sich auch die Alte-Herren-Turner zu einer illustren Gruppe zusammen. Während seit vielen Jahren die Seniorinnen und Senioren das älteste Glied in der Kette der Sportler bilden, stehen die Krabbelkinder auf der jüngsten Stufe des alle Altersklassen umfassenden Angebots.
  • Fußball
    Die Fußballer wagten 1962 einen neuen Start, nachdem sie vorher teilweise in den Reihen des FC „Frisia“ Neuharlingersiel mitspielten. Die Sparte entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer der aktivsten und stärksten des Vereins, gestützt auf eine gute Nachwuchsarbeit innerhalb mehrerer mit Talenten besetzten Kinder- und Jugendmannschaften.
  • Tischtennis
    Die neue Sparte Tischtennis fand schnell zahlreiche Anhänger und konnte schon nach wenigen Jahren mit einer beeindruckenden Erfolgsbilanz aufwarten. Es konnten zahlreiche Titel bei Einzelmeisterschaften und Turnieren auf Kreis- und Bezirksebene errungen werden sowie herausragende Ergebnisse bei den Mannschaftswettbewerben bis hinauf in die TT Verbandsliga.
  • Prellball
    Beim Deutschen Turnfest 1978 in Hannover trat erstmals eine Mannschaft des TSV beim Prellball an, ein altes Turnspiel, dass sich seitdem mit gutem Erfolg entwickelt hat.
  • Volkstanz
    Ende 1981 wurde auf Initiative von Ilona Gerds die Volkstanzabteilung „Cliner Danzers“ gegründet, die in kurzer Zeit eine stattliche Zahl begeisterte Teilnehmer fand.
  • Schwimmen
    Mit dem Bau des Schwimmbades im „Haus des Gastes“ bot sich die Möglichkeit zur Gründung einer Schwimmabteilung, die von Anfang an von Bodo Starsberg betreut wurde.
  • Badminton
    Die jüngste Abteilung bilden die Badmintonspielerinnen und -spieler, die seit 2009 jeden Freitagabend in der Sporthalle anzutreffen sind.

Ausführliche Berichte der Sparten und Gruppen sind im weiteren Teil dieser Chronik zu finden.

Heute bietet der TSV über 600 Mitgliedern ein Zuhause für Breitensport. Dabei ist auffällig, dass sich einige Mitglieder über Jahrzehnte für den Verein einsetzten. So war Hans Hohlen 53 Jahre von 1948 bis 2001 als Geschäftsführer tätig. Siebelt Kirchhoff war von 1954 bis 1973 Vorsitzender und Simon Hillerns Sportwart und Oberturnwart von 1948 bis 1979. Sein Nachfolger wurde Gottfried Hillerns, der seit 1974 als Jugendwart fungierte und seit 1987 das Amt des1. Vorsitzenden inne hat.